Geschenke an die Selbstliebe #1 – Eine zärtliche Pragmatik

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Nicht wahr, das haben wir schon oft gehört:

„Reserviere Zeiten, in denen du nicht gestört wirst und in denen du deinen Körper und deine Sexualität in Ruhe kennenlernen und erforschen kannst. Zum Beispiel, indem du sinnlich tanzt, dich mit einem luxuriösen Bad verwöhnst, deinen ganzen Körper eincremst und massierst oder dir einfach Zeit für Self-Pleasuring* nimmst… So wirst du mit deinen Empfindungen und Vorlieben immer besser vertraut zu werden. Und wenn du deinen Körper kennst und magst, fällt es dir auch viel leichter, deine Wünsche mitzuteilen…“

Klingt logisch. Und stimmt auch.

Meistens ist das aber gar nicht der Haken bei der Sache.

Denn für die viele von uns ist die Umsetzung schwerer als die Einsicht. Häufig höre ich von Frauen, dass sie ja wüssten, wie wertvoll körperliche Selbstliebe für sie wäre… und dennoch schaffen sie es nicht, sich diesen Raum freizuhalten.

Woran liegt das?

Es liegt NICHT an Zeitmangel (auch wenn du mir jetzt vielleicht vorrechnen möchtest, dass es doch daran liege:-)).

Vielmehr, wenn wir der Sache auf den Grund gehen, finden wir so etwas wie eine „unsichtbare innere Wand“, die uns daran hindert, sich vom Außen weg und sich selbst zuzuwenden. Eine diffuse Scheu, eine unbestimmte Hemmung, ein „Irgendwie“, ein „Ich weiß auch nicht…“ – bis der nächste Termin drängt.

Mir ist wichtig, dass wir diese „innere Wand“ weder verurteilen noch missverstehen. Hier geht es nicht einfach um Gewohnheiten oder den bösen, bösen „Widerstand“ gegen Veränderung. Zumal nach negativen sexuellen Erfahrungen bedeuten sinnliche Dates mit sich selbst, mitten in das Zentrum der Verletzung zu greifen. Denn die ursprüngliche sexuelle Unschuld und den Genuss körperlicher Erfahrung herbeizurufen, weckt unweigerlich auch die Schatten, die auf diesem Thema liegen.

„Nimm dir körperlich Zeit für die Selbstliebe.“ klingt also einfach und kann dennoch den Sprung auf einen anderen Stern bedeuten. Unseren Körper als Tempel wiederbekommen zu wollen, wenn wir ihn als einen Ort der Angst und des Verrats verloren haben, fordert nicht weniger von uns als den Mut einer Löwin.

Klingt ziemlich schwierig, nicht wahr? Was jetzt? Aufgeben?

Nein. Bitte nicht.

Stattdessen:

Eine wache und realistische Einstellung wählen. Diese Wand in uns kennen – aber sie nicht überschätzen. Wir sehen und erkennen sie an… und das tun wir nicht, um vor ihr zu verhungern, sondern um sie Stein um Stein abzutragen. Sachte setzen wir uns in Bewegung, auf mehreren Ebene zugleich, treten an die Mauer heran und beginnen, das Gemäuer abzutasten. Wir gehen klug vor, neugierig und wachsam, prüfen mit den Händen jeden Stein… finden die ersten kleineren Brocken, die wir lösen können… schon schimmert uns Licht von der anderen Seite entgegen…

Glücklicherweise ist sexuelle Energie zutiefst kreativ und neugierig, und ich möchte uns ermutigen, eben diese Kreativität, die einer glücklichen Sexualität zu eigen ist, schon unterwegs anzuwenden.

Welche Form von Unterstützung brauche ich, um dranzubleiben?

Mit welchem Rüstzeug lerne ich, an meiner Wand nicht zu scheitern, sondern zu klettern?

Welcher Weg ist so neu und so unerwartet, dass unser „Keine Zeit“ glatt seinen Einsatz verpasst?

Welches Angebot ist so anders, dass wir uns aus Versehen doch mit uns selbst im Bett wiederfinden?

 

Die Antworten auf diese Frage sind sowohl für uns alle ähnlich als auch individuell.

Hier nenne ich dir vier Faktoren, in denen wir uns alle ähnlich sind. Möglichkeiten, die dich unterstützen, heilsame Dinge zu einer Gewohnheit zu machen – auch wenn sie neu und „jenseits der Mauer“ sind.

In GESCHENKE AN DIE SELBSTLIEBE #2 gebe ich dir dann noch vier weitere Tools an die Hand – Dinge, bei denen du individuell gefragt bist, ob sie deinen aktuellen Prozess gerade nähren würden.

Hier die vier Faktoren, die auf Grund unserer Nervensysteme bei allen Herdentieren (in diesem Falle Menschen) funktionieren:

1.)

Wir setzen Neues mit einer größeren Wahrscheinlichkeit um, wenn wir wissen, worum es bei dem Thema geht. „Selbstliebe“ ist ein großes Wort, das so viele verschiedene Bedeutungen haben und Formen annehmen kann. Finde in dem Feld der Selbstliebe den Aspekt, der für dich gerade Bedeutung hat. Nicht alle Frauen springen auf Self-Pleasuring an. Nicht alle leiden an einem Mangel dampfender Luxus-Bäder… Unsere Startpunkte und Phasen sind unterschiedlich. Wie ist es für dich? Was lautet die Überschrift für deinen nächsten Schritt?

2.)

Wir setzen Neues eher um, wenn andere Menschen davon wissen. Sobald eine enge Freundin von dir weiß, dass du eine liebevolle Körperpraxis entwickeln möchtest, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du sie auch tatsächlich entwickelst:-)

3.)

Wir setzen Neues viel leichter in einer Gruppe um als alleine. Umgeben von anderen Körpern in demselben Lernfeld… lernen wir soviel leichter und genüsslicher, als wenn wir jedes Steinchen der Mauer aus eigener Kraft überwinden müssen. Ein Beispiel für eine solche KörperLernGruppe ist mein Seminar MOSH-Meditation in Berlin. Wenn es solche Angebote nicht in deiner Nähe gibt, kannst du vergleichbare Treffen natürlich auch privat organisieren oder dich zeitlich synchronisieren mit Freundinnen, die weiter entfernt von dir wohnen. „Diesen Freitag zwischen 17 h und 19 h feiern wir drei – jede für sich und alle zusammen – unser Selbstliebe-Ritual…“

4.)

Wir lernen körperlich leichter, wenn wir Menschen kennen, die schon verkörpert haben, wofür wir aufbrechen. Am besten erleben wir diese Menschen live, in unserem direkten Umfeld, und idealerweise berühren uns diese Menschen auch (solange es uns angenehm ist!). Unsere Nervensysteme integrieren neue Dinge am leichtesten, indem sie sie durch Berührung und Nachahmung in einem anderen Körper spüren und „ablesen“ dürfen. Wenn in deinem Umfeld niemand inspiriert, was du lernen möchtest, findest du vielleicht im Internet Unterstützung für die Richtung in deinem Nervensystem – z.B. Interviews mit entsprechenden Menschen, deren Mimik und Gesten dich berühren, oder Tanzfilme von „Körper-Menschen“, die ausdrücken, was du suchst.

 

In Geschenke an die Selbstliebe #2 zeige ich dir weitere Tricks, die dir beim Sprung über die „unsichtbare Mauer“ helfen können.

Niemand ist mit der Herausforderung in Sachen Selbstliebe allein! Bitte teile diesen Text mit deinen Freundinnen, so dass sich „eine zärtliche Pragmatik“ ausbreiten kann. Danke!

 


Anmerkung:

*Self-Pleasuring: Masturbation, Selbstbefriedigung, tantrisches Selbstliebe-Ritual… Sogar der Begriff „Selbst-Erfreuung“ wurde schon erfunden:-) Immer noch am schönsten sagen es die Amerikanerinnen: Self-Pleasuring.

 

©Ilan Stephani